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News / 26. Oktober 2021

«Elektroautos haben den Durchbruch längst geschafft»

Juice Technology mit Hauptsitz im zürcherischen Bachenbülach gehört zu den Weltmarktführern bei der Ladeinfrastruktur von E-Fahrzeugen. Gründer und CEO Christoph Erni erklärt electricWOW im Gespräch das Erfolgsgeheimnis und warum batterieelektrische Fahrzeuge die einzige Alternative sind.

Interview: Mario Borri

electricWOW: Wie laufen die Geschäfte von Juice Technology?
Christoph Erni: Wir sind zufrieden. Klar, aus Unternehmersicht könnte es immer noch etwas besser laufen. Obwohl unsere Branche wegen Corona weniger zu klagen hat als andere, spüren wir die Krise. Unter anderem wegen des Chipmangels. Wenn weniger Autos gebaut werden, braucht es weniger Ladestationen. So ist das Wachstum, das wir in den letzten Jahren hingelegt haben, mit einer Verdreifachung jedes Jahr und immerhin einer Verdoppelung 2020, immer noch gut.

Ist Ihre Produktion auch direkt vom Chipmangel betroffen?
Ja, leider. Im Moment machen sechs Leute nichts anderes, als rund um die Erde Teile zu suchen. Das ist, wie wenn Miss Marple und Sherlock Holmes zusammenarbeiten. Es wird alles gekauft, was es gibt, in grossen, aber auch in kleinen Chargen, an den abenteuerlichsten Orten. Hinzu kommt die Echtheitsprüfung, die jeweils aufwändig vor Ort gemacht werden muss.

Sie haben mit Ladekabel angefangen – was bietet Juice heute alles im Bereich E-Mobilität an?
Wir sind einer der wenigen Vollsortimenter auf dem Markt. Juice Technology hat vom mobilen A/C-Lader wie dem Juice Booster 2 bis zu grossen Schnellladern – und vor allem Software – alles im Angebot. Ausserdem haben wir eine App entwickelt und bieten Lösungen für das Lastmanagement.

In welchem Geschäftsbereich passiert im Moment am meisten?
Ganz klar bei der Software. Alle wollen Ladestationen platzieren, wo es nur geht – im öffentlichen Raum aber auch zu Hause. Der Heimbereich befindet sich aber gerade an einem schwierigen Punkt. Denn wenn immer mehr Menschen ein Elektroauto fahren und am Abend dann alle gleichzeitig zu Hause laden, kommt das aktuelle Stromnetz irgendwann an seine Grenzen. Es reicht nicht, eine normale Ladestation mit einem einfachen Lademanagement zu installieren. Dann muss ein intelligentes System her, dass im Idealfall ein netzdienliches Laden ermöglicht. Um das Netz stabil zu halten muss der Energieversorger direkt zugreifen können, per Fernsteuerung, um eine Überlastung zu verhindern. Aber auch die Cybersicherheit wird immer wichtiger. Lastmanagementsysteme von Ladestationen können gehackt werden. Die wenigsten sind sich dessen bewusst.

Machen Sie ein Beispiel…
Nehmen wir unsere Ladestationen vor dem Haus. Wenn jemand das Lastmanagement hackt und aus allen Steckern voll Strom ziehen lässt, dann geht es eine Viertelstunde und die Haussicherung spickt raus. Eine solche Sicherung kann man nicht einfach per Kippschalter wieder einschalten. Die muss man auswechseln. Mehr als zwei solcher Sicherungen hat man für gewöhnlich nicht im Haus. Wenn das fünfmal am Tag passiert, arbeitet niemand mehr und die Firma ist erpressbar. Aber auch schon das einfache Überwachen des Lademanagements reicht. Zum Beispiel: Eine Diebesbande hat die Ladestation vor einem ein Haus im Visier. Dort wird jede Nacht ein Auto geladen und dann eine Nacht nicht und noch eine nicht. Jetzt wissen sie, dass die Luft rein ist und sie zuschlagen können.

Sind denn Ihre Ladestationen fernbedienbar und cybersicher?
Ja, unsere Ladestationen haben diese Fähigkeiten. Weil wir stark in die Software investiert haben. Es hat uns auch schon jemand gesagt, unsere Ladestationen sind viel zu gut ausgerüstet, mit einem zu schnellen Prozessor und zu viel Speicherplatz, das braucht’s doch gar nicht. Doch eben schon. Wir sind ready für die Zukunft. Und unsere Ladestationen sollen nicht nach zwei Jahren wieder ausgewechselt werden müssen, sondern dank kontinuierlicher Software-Updates 30 Jahre halten.

Auf welche neuen Produkte und Dienstleistungen dürfen wir uns freuen?
Natürlich gibt es in jedem Bereich Neuigkeiten, bei den mobilen oder den Wandladestationen aber auch bei den D/C-Schnellladern. Das Highlight sind aber unsere Software-Lösungen, allen voran die kürzlich lancierte App j+ pilot. Die Fähigkeiten der App sind enorm, im Moment kann man damit aufs Auto und die Ladestation zugreifen. Zu einem späteren Zeitpunkt folgt dann die Verbindung zu Smart Home oder direkt zu sauberer Energie. Und das alles mit einer einzigen App. Die User werden verblüfft sein.

Im September war jeder dritte Neuwagen elektrifiziert. Den Durchbruch haben die Elektroautos aber noch nicht geschafft – was fehlt Ihrer Meinung nach?
Doch, doch, der Durchbruch ist längst geschafft. Einer unserer Verwaltungsräte ist Zukunftsforscher Lars Thomsen. Er sagt, dass in dem Moment, wenn die 1-Prozent-Hürde genommen ist, sich der Trend nicht mehr umkehren lässt. Diese Entwicklung bleibt dann aber noch lange unter dem Radar, die wenigsten Leute bemerken sie. Aber dann – das sagt nicht nur Thomsen, sondern alle namhaften Zukunftsforscher -, ist es bei Trends, die sich durchzusetzen beginnen, immer gleich: dann kommt es zum sogenannten Hockey-Stick-Effekt, also zu einem plötzlichen, schnellen Anstieg. Und dort stehen wir jetzt.

Was sind denn die Treiber für den E-Auto-Trend?
Zum einen das Fahrgefühl. Fast jeder, der einmal ein Elektroauto ausprobiert hat, findet das Fahrgefühl attraktiver als in einem Verbrenner. Der Mensch steigt immer zum Besseren um. Natürlich muss auch die Preis-Äquivalenz beim Neupreis gegeben sein. Darum hat es Tesla nicht schlecht gemacht. Sie haben mit grossen, teuren Autos angefangen, bei denen es nicht darauf ankommt, wenn die Batterie teuer ist. Der Batteriepreis hat sich aber alle drei Jahre halbiert. Darum sind Modelle der Mittelklasse – und bald auch der unteren Mittelklasse – in der Anschaffung praktisch gleich teuer wie Verbrenner. Im Unterhalt aber sind sie schon heute um Faktoren günstiger, weil nämlich einfach keinen gibt. Ein weiterer Treiber sind die CO2-Strafen. Es gibt für einen Autohersteller keine andere Möglichkeit, als jetzt blitzschnell auf Elektro zu wechseln.

Die Lade-Infrastruktur ist genauso wichtig wie die Fahrzeuge. Wie kann es die Schweiz schaffen, genügend Lademöglichkeiten zu schaffen – etwa mit Steckdosen in Strassenlaternen wie in London und Berlin?
(Lacht) Das ist keine gute Idee. Zum einen stehen die Laternen nicht immer genau dort, wo die Parkplätze sind. Ausserdem ist eine Laterne gar nicht so gross, dass eine Ladesäule Platz hätte – man müsste die Struktur verstärken. Und eine Laterne braucht 200 Watt, um zu leuchten, ein Auto, um geladen zu werden, aber mindestens 1,4 kW. Also müsste man die ganze Leitung neu ziehen. Der Aufwand und die Kosten wären immens.

Aber wie schaffen wir es, genügend Lademöglichkeiten zu schaffen?
Wir sind auf einem guten Weg. Seit dem 1. Juni 2020 gilt die SIA-Norm 2060. Diese schreibt vor, dass alle neuen Gebäude mit mindestens 25 Tiefgaragenparkplätzen mit ausreichend Strom für eine Ladeinfrastruktur erschlossen sein müssen. Dass eine so statische Branche wie die Baubranche jetzt schon so weit vorausdenkt, stimmt mich zuversichtlich. Wir sind jetzt aber noch in einer Übergangsphase, eine Transformation ist immer schwierig. Am einfachsten wird die Umstellung in Bürohäusern und Mietwohnblocks gelingen. Beim Stockwerkeigentum ist es komplizierter, es hat immer einen, der bremst.

Bräuchte es vielleicht staatliche Fördermassnahmen?
Immer wenn der Staat eingreift, habe ich etwas Mühe. In Deutschland führt es dazu, dass Leute eine Ladestation kaufen, die sie noch nicht brauchen können, weil sie noch gar kein Elektroauto haben. Und das nur, weil sie vom Staat 900 Euro Fördergeld erhalten und die Station deshalb für sie fast gratis ist. Das ist sinnlos.  Denn viele der ganz günstigen Ladestationen können nach zwei Jahren nicht mehr eingesetzt werden, weil sie sich nicht richtig steuern lassen. Ich glaube, es braucht keine staatliche Förderung, der Markt reguliert sich in der Regel selbst. In der Schweiz hat sich noch immer alles, was gut ist, von selbst durchgesetzt.

Ich behaupte: Wenn immer mehr Elektroautos unterwegs sind, wird uns der Strom ausgehen. Zumal die AKW vom Netz gehen. Was ist ihre Meinung dazu?
Dass wir die AKW kurzfristig abstellen, ist vielleicht nicht ganz zu Ende gedacht. Im Moment kann die Schweiz zwei Drittel des benötigen Stromes selber mit Wasserkraft nachhaltig produzieren. Wenn wir noch ein bisschen offener wären zu Wind- und Sonnenenergie, wäre die Schweiz 100 Prozent Selbstversorger, Jahres-bilanziell gesehen. Die überschüssige Energie, die im Sommer produziert wird, müsste aber gespeichert werden. Dazu würde sich Wasserstoff eignen. Der gespeicherte Strom müsste dann im Februar, wenn mehr verbraucht als produziert wird, zentral verstromt und ins Netz geleitet werden. Die Schweiz könnte mit recht wenig Aufwand energieautark sein, auch ohne AKW.

Was halten Sie von Wasserstoff als Alternative – plant Juice etwas in dieser Richtung?
Wie erwähnt, wäre Wasserstoff perfekt, um die überschüssige Energie saisonal zu speichern. Für mehr allerdings nicht. Erstens ist Wasserstoff mit einem durchschnittlichen Wirkungsgrad von rund 0,3 fast so ineffizient wie Benzin (0,2). Zweitens muss trotz bestehendem Tankstellennetz die gesamte Infrastruktur neu gebaut werden. Drittens muss der Wasserstoff zu den Tankstellen transportiert werden. Und viertens haben die Leute Angst vor einer möglichen Explosion, wegen der immensen Tankdrücke bis 1000 bar. In Schweden ist eine Tankstelle in die Luft gegangen, seither ist dort Wasserstoff als Alternative tot.

Und bei den Nutzfahrzeugen?
Ich glaube, selbst bei den Lastwagen wird sich Wasserstoff nicht durchsetzen. Zumal Batterien immer leistungsfähiger und gleichzeitig günstiger werden. Erst kürzlich hat ein Elektro-Truck 1000 km mit einer Batterieladung geschafft. Wir sind auf dem Weg, dass in den nächsten zwei, drei Jahren die allermeisten Transportrouten rein elektrisch zurückgelegt werden können. Für die restlichen Strecken braucht es in den nächsten fünf Jahren halt noch Diesel-Lastwagen.

Die Akkus sind aber so schwer, dass ein Elektro-SUV, wie zum Beispiel ein Audi e-tron, deutlich über 2,5 Tonnen wiegt. Ist das noch effizient?
Klar, Elektroautos sind meist unbedeutend schwerer – wobei ein Model 3 zum Beispiel mit gut 1600 Kilogramm das Gegenteil beweist. Aber durch das gewaltige Drehmoment des Elektromotors spielt das Gewicht einfach keine Rolle. Ein bisschen sanfter «Gas» geben ist viel effizienter, als 300 Kilo einzusparen. Sie kennen das von den Gotthardlokomotiven: Gewicht ist nahezu egal. Aber natürlich ist es das Ziel, dass die Akkus kleiner und leichter werden, das werden sie auch. Wir sind auch noch am Anfang, schliesslich hat man ja Ende des 19. Jahrhunderts auch gesagt, das Auto werde sich gegenüber der Pferdekutsche nicht durchsetzen.

Was ist mit den seltenen Erden in den Akkus, für deren Abbau Menschen ihr Leben riskieren?
Kobalt braucht es schon bald nicht mehr im Akku. Obwohl sich alle grossen Elektroautohersteller dazu verpflichtet haben, darauf zu achten, dass es in den Minen keine Kinderarbeit gibt, ist das ein wichtiger Schritt in puncto Nachhaltigkeit. Und der Rest kann zu mehr als 99 Prozent recycelt werden. Es ist wie beim Wasser, das auf seinem Weg von der Quelle ins Meer in mehreren Kraftwerken Strom erzeugt, am Ende dann verdunstet und sich somit immer noch im Kreislauf befindet. So verhält es sich auch beim Lithium, es wird aus dem alten Akku geholt und für den Bau des neuen gebraucht, nichts ist verloren.

Themenwechsel: Die Firma befindet sich seit ihrer Gründung im Zürcher Unterland, zuerst in Winkel, seit drei Monaten in Bachenbülach. Juice Technology ist aber ein internationaler Player. Wo in der Welt gibt’s weitere Ableger?
Wir haben Tochtergesellschaften in Spanien, Frankreich, Schweden, Italien, England, China und den USA. Wir sind weltweit recht gut vertreten, es gibt aber schon Lücken, die wir füllen wollen. In jedem dieser Büros arbeiten zwischen drei und sieben Leute. Für den Verkauf ist das sehr wichtig, dass man vor Ort ist. Das Vorgehen ist immer gleich: Das wichtigste ist der Aftermarket, also Wiederverkäufer und Onlinehändler wie Amazon, dann folgen Garagen, Autohersteller und zum Schluss noch Immobilien und Energieversorger. Die Produkte schneiden wir auf den jeweiligen Markt zu. Es gibt Länder, in denen wir dieselben Produkte wie in der Schweiz vermarkten können. Es braucht aber auch Neuentwicklungen, wie etwa für die USA. Der US-Booster sieht von aussen gleich aus, die Technik ist aber komplett neu.

Wo produziert Juice Technology ihre Produkte?
Einen Teil in der Schweiz, den Rest in Deutschland und China. Später dann auch in den USA. Interessanterweise ist die Produktion bei identischer Qualität in der Schweiz nur unwesentlich teurer als in China.

Sie beliefern auch Autohersteller direkt – wie haben Sie das als kleiner Zulieferer aus der Schweiz geschafft?
Am Anfang wurden wir belächelt. Ein Branchenkenner warnte uns: Elefanten spielen mit Elefanten, nicht mit kleinen Fröschen wie Juice Technology. Aber wir haben es geschafft, weil wir unsere Hausaufgaben gemacht und genau das geliefert haben, was die Autohersteller brauchen, um Ihren Kunden ein ideales E-Mobilitäts-Angebot zu ermöglichen. So benötigt das Produktionswerk eine bestimmte Zertifizierung, damit die OEMs die Produkte überhaupt in das Zubehör mit aufnehmen dürfen.

Welche Marken sind dabei?
Bei Opel kann man den Universal Charger – der auf unserem Juice Booster 2 basiert –  im Konfigurator mitbestellen. Bei BMW haben wir das gesamte Werk und das Engineering ausgerüstet. Und beim Supersportwagenbauer Rimac ist der Juice Booster 2 serienmässig an Bord. Ausserdem gibt es weitere renommierte Autohersteller, mit denen wir im Gespräch sind oder bereits zusammenarbeiten.

Wo sehen Sie Juice Technology 2030?
Lars Thomsen hat immer gesagt, 2029 werden die letzten Verbrenner in Europa verkauft. Das könnte durchaus eintreffen, denn verschiedene Hersteller sprechen davon, dass ihr Elektroanteil schon 2025 mindestens 50 Prozent betragen wird. Spätestens ab dann muss die Infrastruktur zwingend ausgebaut sein. Ich glaube, dass wir 2030 einer der drei führenden Hersteller sein werden, die es dann noch gibt. Was sicher für uns spricht, ist, dass wir mit dem Juice Booster früh auf den Markt gekommen sind und eine eigene Sparte begründet haben – die der mobilen Ladegeräte. Der Booster hat unglaublich viel Potenzial. Immer mehr Autohersteller und auch Importeure merken, dass diese mobile Ladestation die bessere Alternative zur klassischen Wallbox ist. Der Aufwand für die Installation ist deutlich geringer. Eine normale Steckdose kann jeder Elektriker problemlos installieren – dafür benötigt er keine separaten Schulungen oder Zertifikate. Und der E-Autofahrer hat gleichzeitig eine Lademöglichkeit zum Mitnehmen.  

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